Besichtigung der Fassadeninstandsetzung des Kapellenturmes in Rottweil am 13.06.2024

1. August 2024 |

Die Kapellenkirche in Rottweil ist eines der bedeutendsten gotischen Baudenkmäler in Baden-Württemberg. Diese gotische Kapellenkirche ist das Wahrzeichen der Stadt Rottweil. Die gesamten Sanierungskosten für diese Rottweiler Ikone wurden mit 8,5 Millionen Euro veranschlagt. Der Kapellenturm wurde in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder saniert. Ziel ist es, dass diese Sanierung des 70 m hohen Turmes bis zu der geplanten Landesgartenschau im Jahr 2028 abgeschlossen ist.


Abb. 1 Ansicht der eingerüsteten Westfassade des Kapellenturms in Rottweil (Honer, 2024)

Unser Bezirksmitglied Thomas Ettwein und seine Frau haben diese Besichtigung mit dem von der kath. Kirchengemeinde Heilig Kreuz Rottweil beauftragten Architekturbüro AeDis AG für Planung, Restaurierung und Denkmalpflege in 73061 Ebersbach an der Fils (Baden-Württemberg) organisiert.

Auf dem Kapellenplatz, direkt von dem Kapellenturm, wurden wir von der Architektin Frau Marianne Bodenbender herzlich begrüßt. Wir erhielten von ihr viele interessante Detailinformationen:
Mit dem Bau des unteren, viereckigen Teils wurde im Jahr 1330 begonnen. Mitte des 15. Jahrhunderts wurden die Arbeiten wieder aufgenommen, der Übergang ins Achteck erstellt und zur Unterbringung des Glockengeläuts ein oktogonaler Aufbau realisiert. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde ein weiteres Oktogon aufgesetzt. Später im 16. Jahrhungert erhielt der Turm einen hölzernen Helm. 1800 wurden einsturzgefährdete Teile rückgebaut unter anderem die oberen Teile der beiden Treppentürme, die Galerie des Turmes vor der Westfassade und Maßwerk.

Bereits im 17. Jahrhundert wurden Eisenschlaudern zur Sicherung der Standsicher-heit im Turmschaft verbaut. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden u.a. die Treppen-türme mit Spannankern ertüchtigt. 1906 wurden dann die großen, heute noch sichtbaren Spannanker in den Turmschaft eingebaut und die Elementdecken im Inneren gegossen. Die 2013 abgeschlossene Sanierung umfasste Steinmetzarbeiten am oberen Oktogon (keine statischen Maßnahmen). Bei der derzeitigen Maßnahme wird das obere Oktogon nicht saniert.

Die Kostenschätzung für die aktuelle Turmsanierung aus dem Jahr 2021 beträgt ca. 3 Mio. € (brutto).

Wir stiegen dann über vorhandene Treppen am Außengerüst den Kapellenturm hinauf. Architektin Bodenbender hat uns dann an den Turmaußenwänden das Quadermauerwerk aus Stuben- und Schilfsandstein gezeigt. Bauzeitlich wurden Stubensandsteine wohl aus der Gegend von Waldenbuch (bei Böblingen) verwendet. Dieser Stubensandstein ist etwas härter als der auch verwendete Schilfsandstein. Der bauzeitliche Schilfsandstein kommt vermutlich aus einem Bruch bei Trichtingen (bei Oberndorf a. N.). Die bauzeitliche Substanz wurde in den vergangenen Sanierungsphasen in großen Teilen bereits durch neue Teile ersetzt.

In den 1960er Jahren kam es zu einer entscheidenden Änderung im Restaurationskonzept. Statt dem Austausch der Steine sollten diese an Ort und Stelle konserviert werden. Hierfür wurde die Fassade des Turmes flächig mit dem „Hermetique-Verfahren“ behandelt. Ein chemisches Mittel, welches die stark mehlenden Oberflächen der Steine härten und festigen sollte. In den kommenden Jahren folgten weitere chemische Behandlungen der Natursteine. Damals glaubten die Verantwortlichen wohl, dass mit dieser Beschichtung die Verwitterung der Sandsteine reduziert oder sogar verhindert werden kann. Diese Annahme hat sich leider als Fehler herausgestellt.

Durch diese chemische Behandlung hat sich die Oberfläche der Natursteine verschlossen. Das Mittel hat sich in den

Porenraum gesetzt und verhinderte einen Wassertransport vom Inneren des Steines an die Oberfläche. Dringt z. B. durch die Fugen oder Schadstellen im Stein dann Wasser in die Tiefe des Steines ein, kann dieses nicht mehr an die Oberfläche gelangen um dort auszutrocknen. Thermische und hygrische Spannungen führen zu Schalenbildung und Abplatzungen an den Oberflächen der Natursteine. Durch die damalige chemische Behandlung weisen die Natursteine heute ein komplexes Schadensbild auf.


Abb. 2 Fries unter dem Umgang zwischen Viereckbau und Oktogon. Die meisten Zierteile am Bauwerk wurden bereits (mehrfach) ausgetauscht. Abb. 3 Zur Abstimmung zwischen Planung, Bauherrschaft, LAD und Ausführenden wurden Musterflächen erstellt. Hier: Muster zur Konservierung der Schilfsandsteinquader.


Abb. 4 Zur Vorbereitung der Natursteinkonservierung wurde die Fassade gereinigt und die zementären Fugen ausgebaut. Die großen Ankerplatten in der Fassade – runde weiße Scheibe Mitte hinter Pfeiler- zeigen die statische Maßnahme von 1906.

Architektin Bodenbender erläuterte dann auf der Südseite des Kapellenturmes, dass hier die Sandsteine viele Schäden haben, die zu sanieren sind. Durch die intensivere Sonneneinwirkung auf der Südseite gab es bzw. gibt es auch in der Zukunft hier größere thermische Spannungen an den Sandsteinen als dort, wo die Sonne nicht so intensiv einwirken kann.

An vielen, waagrechten Lagerfugen der Sandsteine wurde auch festgestellt, dass bei den früheren Maurerarbeiten Ölschieferstücke als Fugenabstandhalter verwendet wurden. Diese Arbeitstechnik war auch nicht optimal, weil diese Ölschieferstücke in den Lagefugen mit Feuchtigkeitseinwirkung und Frost aufquollen und so an den Sandsteinen zu Frostschäden geführt haben. Deshalb werden bei den jetzigen Sanierungsarbeiten diese Schieferstücke in den Lagerfugen sorgfältig entfernt und durch einen Mörtel ersetzt. Bei der derzeitigen Sanierungsmaßnahme wurden die Zementfugen ausgebaut. Hierbei werden die Fugen auf eine Tiefe erneuert, die der 3-fachen Fugenbreite entspricht. Der neue Fugenmörtel ist ein mineralischer Mörtel mit formuliertem (bedarfsbezogene Zusammensetzung) Kalk und gestufter Gesteinskörnung, der auf den w-Wert von ca. 1,5 kg/(m2 h) eingestellt ist. Durch das eingestellte Wasserrückhaltevermögen entsteht eine homogene Fassadenoberfläche.

Die gesamte Sanierungsmaßnahme steht unter dem Leitgedanken des konservierenden Substandserhaltes. Diese notwendigen Sanierungsarbeiten werden durch ein Team von Denkmalpflegern und Restauratoren sehr genau überwacht, geprüft und dokumentiert.

Die Sanierungsarbeiten im Natursteinbereich werden von einer Steinmetzfirma und einer Firma für Natursteinrestaurierung ausgeführt: Der Steinmetzbetrieb Roth aus Schramberg ist ein Spezialist für Sandsteinarbeiten. Die Baufirma Matthias Wittner, Steinbearbeitung und Restaurierung aus Deiningen (Bayern) ist mit der Konservierung des Natursteines beauftragt.

Wir stiegen dann gemeinsam auf die höchste Plattform des Gerüstes des Kapellenturmes. Hier zeigte uns Architektin Bodenbender an einer Fensterbank, dass nicht alle Steine konserviert werden können, sondern auch Steine komplett ausgetauscht werden müssen. Die Fensterbank wird in diesem Fall durch Stubensandstein ersetzt. Dieser ist für diese Einbausituation das geeignetere Material, da dieser eine höhere Festigkeit hat. Sehr interessant waren dann an der Turmspitze die Wasserspeier aus Muschelkalkstein mit ihren verschiedenen Formen.

Von hier hatten wir eine traumhafte Aussicht auf die historische Altstadt von Rottweil mit den zahlreichen Türmen. Deshalb wird auch Rottweil als „Stadt der Türme“ bezeichnet.

Unser Vorsitzender Gerhard Holzbaur hat sich, als wir dann wieder die vielen Stufen des Gerüstes hinabgestiegen waren, bei Architektin Frau Marianne Bodenbender für diese äußerst interessante Veranstaltung und die umfangreichen Informationen recht herzlich bedankt. Bei unserem Bezirksmitglied Thomas Ettwein und seiner Frau bedankte sich unser Vorsitzender für die Organisation dieses Treffens ebenfalls recht herzlich.

Im Anschluss an diese tolle Besichtigung haben wir uns dann in dem historischen Gebäude der Villa Duttenhofer mit dem angebauten Restaurant „Villa“ getroffen. Hier haben wir uns über diese tolle Besichtigung ausführlich unterhalten.


Abb. 5 Die Gruppe nach dem Abstieg vom Turm vor der Westfassade der Kapellenkirche.

Bericht: Walter Stockburger
Fotos: Gerold Honer