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Besuch bei der Deutschen Flugsicherung in Karlsruhe

23. Mai 2019 |

Diese Veranstaltung der Bezirksgruppe Karlsruhe war so schnell ausgebucht, das man meinen konnte, hier gäbe es etwas zu verpassen. Wie sich später herausstellte, war dem tatsächlich so, denn die Deutsche Flugsicherung (DFS) bietet solche Führungen ausschließlich Ihren Geschäftspartnern an, wie beispielsweise den Fluggesellschaften. Dass nun auch eine VSVI-Gruppe diese Chance bekam, war einem privaten Kontakt, mehreren Anläufen und einer gewissen Hartnäckigkeit zu verdanken, aber eben keine Selbstverständlichkeit. So empfing uns der Referent für Kommunikation, Herr Pfetzing, an der Pforte des gesicherten Geländes und begann die Führung mit einem ausführlichen Vortrag über die Aufgaben und die Organisation der DFS.

Gebäude der DFS in Karlsruhe
Gebäude der DFS in Karlsruhe

Die DFS GmbH ist ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen und gehört zu 100 Prozent dem Bund. Sie entstand 1993 aus der Bundesanstalt für Flugsicherung und der überörtlichen militärischen Flugsicherung. Voraussetzung für diese Umstrukturierung war eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes und des Luftverkehrsgesetzes, da die Kontrolle des Flugverkehrs in Deutschland eine hoheitliche Aufgabe ist und somit gesetzlich geregelt ist. Diese Aufgabe umfasst neben dem zivilen auch den militärischen Flugverkehr. Insgesamt ist die DFS bundesweit an 16 internationalen Flughäfen (= Tower-Standorte) zur Überwachung von Starts und Landungen und an vier sog. Center-Standorten zur Überwachung des Luftraumes vertreten. Letztere finden sich in Langen (= Hauptsitz des Unternehmens), Bremen, München und Karlsruhe.

Über 3,3 Mio. Flüge kontrollierte die DFS in 2018 in Deutschland, davon allein in Karlsruhe zwischen 1,8 und 1,9 Mio. Flugbewegungen. Mit Ausnahme der Jahre 2012 und 2013 als Folge der Terroranschläge 2011 in den USA, ist der Flugverkehr in der jüngeren Vergangenheit nahezu kontinuierlich gewachsen. Dennoch hat die DFS zuletzt weniger Umsätze erzielt und musste für 2018 sogar ein Minus von 30 Mio. Euro verbuchen. Hintergrund waren in erster Linie die abgesenkten Flugsicherheitsgebühren durch die EU-Regulierung, aber auch der inzwischen gestiegene Personalaufwand. Die Flugsicherheitsgebühren richten sich nach dem maximalen Startgewicht des Flugzeuges und betragen beispielsweise für einen Airbus A320 etwa 160 Euro bei An- bzw. Abflug und rund 430 Euro für den Streckenflug.

Herr Pfetzing, Kommunkiationsreferent, erläutert die Hintergründe zur Flugsicherung
Herr Pfetzing, Kommunkiationsreferent, erläutert die Hintergründe zur Flugsicherung

Während in Karlsruhe ausschließlich der Luftraum oberhalb 7.500 m kontrolliert wird, überwachen die drei übrigen Center-Standorte den Luftraum darunter. Neben dieser vertikalen Aufteilung ist der Luftraum über Deutschland auch horizontal in Sektoren unterteilt. Etwa 660 Mitarbeiter sichern den Flugverkehr in Karlsruhe, darunter sind ca. 460 Fluglotsen. Interessant dabei ist, dass die Kapazität des Himmels über Deutschland nicht durch den zur Verfügung stehenden Raum begrenzt wird, sondern vorrangig durch die Auslastung der Fluglotsen, und die ist inzwischen grenzwertig, weshalb so manche Verspätung auf das Konto der DFS geht. Und das ist richtig so, denn die Sicherheit hat absolute Priorität und kommt letztlich den verspäteten Passagieren zu gute. Aktuell versucht die DFS deshalb ihre Gesamtanzahl von 2.000 Fluglotsen aufzustocken und sucht daher aktiv nach Nachwuchskräften. Während bereits eine stattliche Ausbildungsvergütung den Nachwuchs lockt, so wartet später doch eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, die dafür sorgt, dass nur Wenige ihre Arbeit auf dem Lotsenplatz bis zum Alter von 55 Jahren ausüben, das den Wechsel in die Übergangsversorgung bis zur Rente ermöglicht.

Grundsätzlich werden die einzelnen Sektoren stets durch ein Team von zwei Lotsen überwacht. Sie weisen allen Flugzeugen, die dieses Gebiet durchqueren, Routen, Flughöhen und Geschwindigkeiten zu. Verlässt beispielsweise eine Maschine den vorgeschriebenen Kurs, so wird sie von den Lotsen über Funk auf den richtigen Kurs dirigiert, natürlich in bestem Englisch und mit Hilfe international definierter Begriffe. Wie das dann konkret am Arbeitsplatz aussieht, durften wir nach dem spannenden Vortrag live im Kontrollzentrum miterleben.

Besonderes Augenmerk müssen die Fluglotsen auf die Abstände zwischen den Flugzeugen richten. Im Streckenflug betragen die Mindestabstände horizontal drei bis fünf nautische Meilen (ca. 5,6 bis 9,3 km) und vertikal 1000 Fuß (ca. 300 Meter). Selbst die geringste Abweichung wird als sog. Staffelungsunterschreitung registriert. Ein automatisches Kollisionswarnsystem ermöglicht dabei dem Lotsen noch eine Reaktionszeit von maximal etwa 15 bis 20 Minuten. Dann muss er unter hohem Druck Entscheidungsfreude und Nervenstärke beweisen, Voraussetzungen, wie sie Piloten und eben auch die Lotsenbewerber mitbringen müssen.

Allerdings erleben Fluglotsen nicht nur Stresssituationen, für Abwechslung sorgt auch mal der ein oder andere Sonderflug, wie beispielsweise die Begleitung des deutschen „Siegerfliegers“ aus Brasilien nach der Fußball-WM 2014. Da vernahm der Pilot beim Eintritt in den deutschen Flugraum Stimmung wie aus dem Stadion, nur eben aus dem DFS-Kontrollzentrum Karlsruhe! Noch eine ganze Menge mehr interessanter Hintergrundinformationen erhielten wir in der über zweieinhalb stündigen Führung von Herrn Pfetzing, der als Kommunikationsreferent bemerkenswerte Sachkenntnis bewies, die er sich als Quereinsteiger über die Jahre selbst erarbeitet hatte. Ein durchaus kurioser Sachverhalt soll zum Schluss aber noch Erwähnung finden: Für nur 60 Prozent aller Passagierflugzeuge der Welt bestehen Parkplätze auf dem Erdboden – heißt also im Umkehrschluss: Mindestens 40 Prozent der Flugzeuge weltweit befinden sich immer über unseren Köpfen! Ein Hoch auf die Siegerflieger!

Tobias Pfister